Geschichte der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
16. November 1564
Der Eichstätter
Fürstbischof Martin von Schaumberg (Bild) gründet das Collegium
Willibaldinum als erstes tridentinisches Seminar für Priesterbildung
nördlich der Alpen. Mit der schnellen Umsetzung des 1563 auf dem Konzil
von Trient beschlossenen Seminardekrets will er sittlich gefestigte Priester
ausbilden lassen und so einem durch die Reformation verursachten
„erschrecklichen defectum personarum“ entgegentreten.
28. August 1565
Fürstbischof Martin von Schaumberg schließt einen
Inkorporationsvertrag mit der Universität
Ingolstadt, der die Eichstätter artistischen Studien mit
denen der Ingolstädter gleichstellt. Das Willbaldinum behält
Partikularschulcharakter.
1614 bis 1774
Das Collegium Willibaldinum steht als „Gymnasium academicum“
unter der Leitung des Jesuitenordens. Im Anschluss an die
Gymnasialausbildung absolvieren Priesteramtskandidaten einen zwei- bis
dreijährigen Pastoralkurs, in dem Logik, Kasuistik und
Kontroverstheologie gelehrt werden.
Die im tridentinischen Seminardekret vorgesehene Einheit von Erziehung und
Unterricht mit einem Gemeinschaftsleben abgesondert von der Welt
entfällt in Eichstätt, da das Kolleg mit nur 20 Jesuiten keinen
Theologenkonvikt führen kann.
In Ingolstadt waren die ersten Jesuiten – unter ihnen Petrus Canisius –
bereits 1549 berufen worden, um einen Kollaps des
theologischen Lehrbetriebs abzuwenden.
1768
Bischof Raimund Anton von Strasoldo (1757 – 1781) erlässt die
Instructio Pastoralis Eystettensis. Zu dieser Zeit
entsteht die Pastoraltheologie als neue wissenschaftliche Disziplin.
1774 bis 1807
Fortführung des „Gymnasiums academicum“
als Lyzeum durch Weltpriester. Viele Exjesuiten bleiben
nach der Aufhebung des Ordens 1773 als Lehrer in Eichstätt.
1783
Das überflüssig gewordene nebeneinander von
ehemaliger Jesuitenordensschule und bischöflichem Absolventenseminar
wird mit der räumlichen Zusammenlegung im alten Seminar beendet.
An Gymnasium und „episcopale et academicum lyceum“
studieren bis zu 500 Schüler. Die Revolutionskriege und der Anfall des
Hochstifts an eine kurze salzburgische Herrschaft
im Jahr 1803 beenden die erste Blütezeit des Lyceums.
1807
Säkularisation und Mediatisierung infolge des
Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 wirken sich in
Eichstätt erst 1806 mit dem Anfall an Bayern
aus. Das Lyzeum wird aufgehoben.
14. Juni 1843
Bischof Karl August Graf von Reisach (Bild) errichtet ein kirchliches Lyzeum,
das den staatlichen Lyzeen rechtlich gleichgestellt wird.
Damit gelingt in Eichstätt der Durchbruch zu einer kircheneigenen
Klerusausbildung. Der Regens des Priesterseminars ist kraft Amtes
zugleich Rektor des Lyceums. Diese Regelung bleibt bis 1950 bestehen.
Zum Fächerkanon gehören systematische und praktische
Philosophie sowie Philosophiegeschichte, Psychologie, Welt- und
Allgemeingeschichte, Mathematik und Physik, Chemie und Naturgeschichte,
Pädagogik (seit 1848), Dogmatik, Moral, Kirchenrecht, Exegese,
Pastoraltheologie, Kirchengeschichte und Liturgik.
Mit der Berufung von Joseph Ernst, der am römischen Germanicum
studiert hat, stellt Bischof Reisach die Weichen
zur Neuscholastik. Sie findet in Eichstätt namhafte Vertreter
wie die Philosophen Albert Stöckl und Mathias Schneid
oder den Dogmatiker Franz von Paula Morgott. Schon früh setzt
aber auch eine historisierend distanzierte Auseinandersetzung
statt, beispielsweise durch den Liturgiker Valentin Thalhofer, vor allem
aber durch Martin Grabmann, der 1906 nach Eichstätt berufen wird.
1873 bis 1893
Während der Zeit des Kulturkampfes nimmt das Lyceum zahlreiche
Theologiestudenten aus dem ganzen deutschen Sprachraum auf, darunter
insbesondere die Priesteramtskandidaten aus der Schweiz.
Von 41 Studenten in den Jahren 1870/71 steigt die Zahl
auf 302 im Studienjahr 1885/86.
Als zentrales „Priesterseminar für
Deutschland“ erlebt das Lyceum eine zweite Blütezeit.
26. Februar 1924
Das Lyceum wird in Bischöfliche Philosophisch-Theologische Hochschule
umbenannt.
1933 bis 1950
Dr. Konrad Graf von Preysing-Lichtenegg-Moos, Bischof von Eichstätt,
ist entschiedener Gegner des Nationalsozialismus. Zu seinen
Freunden zählt der Eichstätter Kapuziner Ingbert Naab,
der 1932 in einem offenen Brief an Hitler schreibt:
„Noch selten hat ein Mensch soviel Geistesknechtschaft
verlangt wie Sie, der Herold der deutschen Freiheit.“
Eine ähnliche Gesinnung findet sich auch bei den Eichstätter Professoren.
1937 schreibt der Kirchenrechtler Dr. Joseph
Lechner unter dem Pseudonym Michael Germanicus einen offenen Brief
an Propagandaminister Joseph Goebbels mit dem Vorwurf,
es gebe in Deutschland keine objektive Justiz mehr.
Während der Herrschaft des Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit
nimmt Eichstätt Theologiestudenten aus 42 deutschen und außerdeutschen
Diözesen sowie aus 35 Ordensgesellschaften auf, darunter traditionell die
Priesteramtskandidaten aus Speyer sowie der Kapuziner und Salesianer.
Die Hochschule erhält zum dritten Mal überregionale
Bedeutung.
4. Oktober 1940
Das Bayerische Staatsministerium
für Unterricht und Kultus entzieht der Philosophisch-Theologischen
Hochschule die Öffentlichkeitsrechte. Sie wird als kirchliche
Hochschule weitergeführt.
7. März 1946
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus
stellt alle ursprünglichen Rechte wieder her. Da die
Universitätsgebäude in München und Würzburg teilweise
zerstört sind, nimmt Eichstätt zeitweise bis zu 1.000
Stundenten aus verschiedenen Fachrichtungen auf, so dass neben Theologie
auch Medizin, Jura, Naturwissenschaften etc. unterrichtet werden.
1949
Das Vorlesungsverzeichnis vom Sommersemster 1949 weist in
Philosophie und Theologie eine Reihe hochrangiger Dozenten
aus, darunter den Katecheten Ludwig Bruggaier, den
Kirchenrechtler Joseph Lechner, den Neutestamentler Joseph Kürzinger,
den Dogmatiker Ludwig Ott, den Alttestamentler Martin Rehm, der 1938
die Nachfolge von Franz Xaver Wutz angetreten hatte, den
Fundamentaltheologen und Kirchengeschichtler Rudolf Graber, 1962
zum Bischof von Regensburg ernannt, den Moral- und Pastoraltheologen
Alfons Fleischmann, sowie den Physiker und Mathematiker Johannes Stigler,
zugleich Rektor und Regens, den Chemiker, Biologen und Geologen
Franz Xaver Mayr, schließlich den Philosophen Johannes
Hirschberger, den Pädagogen und Philosophen Friedrich Dörr
sowie den Historiker Andreas Bauch.
2. Juli 1958
Auf Beschluss der Konferenz der bayerischen Bischöfe
wird in Eichstätt eine kirchliche Pädagogische Hochschule
gegründet. Ihr Initiator, der Pastoraltheologe
Alfons Fleischmann (Bild)
treibt den Aufbau rasch voran, so dass die Eröffnung bereits
am 4. November erfolgen kann. Das Bayerische Staatsministerium für
Unterricht und Kultus erteilt der Pädagogischen
Hochschule Eichstätt am 31. Oktober 1958 die staatliche Genehmigung.
1958 bis 1972
Die Pädagogischen Hochschule wird stetig ausgebaut.
Die Zahl der Hörer steigt von 123 im Wintersemester 1958/59
auf 529 im Wintersemester 1971/72. Wegen Wohnraummangel werden
zwei Heime gebaut, 1960 das „Maria Ward“ für Studentinnen,
zwei Jahre später das „St. Michael“ für Studenten.
Juli 1960
Der missions-katechetische Weltkongress wird von der Pädagogischen
Hochschule ausgerichtet.
5. Mai 1972
Die bayerischen Bischöfe beschließen, die beiden kirchlichen Hochschulen
in Eichstätt unter Einbeziehung von neueingerichteten
Fachhochschulstudiengängen zu einer Gesamthochschule
zusammenzuschließen.
2. August 1972
Die bayerischen Bischöfe unterzeichnen
die Stiftungsurkunde der Kirchlichen Gesamthochschule
Eichstätt. Am 29. September wird die staatliche Genehmigung
für die Errichtung und den Betrieb der Kirchlichen Gesamthochschule
erteilt, am 8. Dezember findet die feierliche Eröffnung
durch Julius Kardinal Döpfner statt.
30. September 1975
Mit Errichtung des Bereichs Philosophie II verfügt
die Hochschule nun über drei wissenschaftliche Fachbereiche:
katholische Theologie, Philosophie I mit Erziehungs- und
Gesellschaftswissenschaften und Philosophie II mit Religionspädagogik,
kirchlicher Bildungsarbeit und Sozialwesen.
Bemühungen, ein Pastoralinstitut mit einem Lehrstuhl für
„Theorie und Praxis der kirchlichen Kommunikation“
zu errichten, der den Bereich der Theorie und
Praxis seelsorgerlicher Gesprächsführung,
besonders bei Seelsorgsbesuchen, sowie
Sprechtheorie und Medienpastoral erfassen soll, scheitern.
5. April 1979
Die Bayerische Bischofskonferenz beschließt, der Gesamthochschule
Eichstätt die Bezeichnung Katholische Universität Eichstätt
zu verleihen.
März 1980
In einem Notenwechsel zwischen dem Apostolischen Stuhl und dem Freistaat
Bayern wird festgelegt, dass die Vertragspartner des Konkordats
darin übereinkommen, die Eichstätter Hochschule als
wissenschaftliche Hochschule im Sinne des Bayerischen
Hochschulgesetz es zu führen und den Namen
Katholische Universität Eichstätt zuzuerkennen.
1. April 1980
Dekret der Kongregation für das katholische Bildungswesen, mit dem die
Eichstätter Hochschule auch kirchenrechtlich als katholische
Universität errichtet wird.
8. Juni 1988
Die staatliche Finanzierung wird auf
Diplom-, Magister- und Aufbaustudiengänge ausgeweitet.
Eine Änderung des Konkordats erlaubt die Einrichtung einer
Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Ingolstadt, die 1989
gegründet wird.
27. September 1989
Niederlegung einer neuen Grundordnung mit der Gliederung in acht
Fakultäten (davon zwei Fachhochschulstudiengänge).
21. September 2001
Der Senat verabschiedet eine neue Grundordnung.
Die Universität erhält den Namen
Katholische Universität
Eichstätt-Ingolstadt (KU). Damit wird der Bedeutung
der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Ingolstadt mit
inzwischen mehr als 900 von insgesamt 4.000 Studierenden
Rechnung getragen. Neben diversen Strukturreformen wird die
kollektive Hochschulleitung eingeführt.
Quellen:
400 Jahre Collegium Willibaldinum Eichstätt:
Eichstätt 1964
Harald Dickerhof:
Vom Collegium Willibaldinum zur katholischen Universität
1564 – 1980, Eichstätt 1984
Hubert Gruber:
Die Eichstätter Hochschule nach 1945, in: Veritati et Vitae.
Vom Bischöflichen Lyzeum zur Katholischen
Universität. Festschrift, hg. von Rainer A. Müller, Regensburg
1993, S. 109 – 132
Bruno Lengenfelder:
Grundzüge der Hochschulgeschichte 1843 bis 1933, in: Veritati et Vitae,
a.a.O., S. 57 – 76
Klaus Walter Littger:
Ein alter und ein neuer Bund. Aus der Ingolstadt-Eichstätter
Universitätsgeschichte 1472 – 1989, Ausstellungskatalog, Eichstätt
1990
Ernst Reiter:
Die Hochschule im Dritten Reich, in: Veritati et Vitae, a.a.O., S. 93 – 108
Ernst Reiter:
Theologische Fakultät, in: Veritati et Vitae, a.a.O., S. 231 – 238
Verbesserungen und Ergänzungen bitte an: Peter Mösgen
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